Eine Tragikkomödie in drei Akten. „Aufbruch, unter dieser Überschrift steht die neue Spielzeit am Staatstheater Augsburg. Und das präsentiert einen interessanten Spielplan in allen Sparten. Das Schauspiel eröffnete mit der deutschsprachigen Erstaufführung von „Jerusalem“ die neue Saison. Die Tragikomödie stammt vom britischen Autor  Jeremy  „Jez“ Butterworth, der auch am Drehbuch vom Bondfilm  „Spectre“ mitschrieb.  2009 am Royal Court Theatre in London uraufgeführt und derzeit als Wiederaufnahme im West End umjubelt, avancierte das Schauspiel Jerusalem zu einem Broadway-Hit, wurde sofort als eines der besten Stücke des 21. Jahrhunderts geadelt. Kritik und Publikum zeichneten es mit Superlativen aus, es ging um die Welt. Doch den Weg an die deutschen Bühnen fand es bisher nicht. Bis jetzt, in Augsburg! 

Und darum geht es!

In einem alten Wohnwagen nahe einer englischen Provinzstadt, mitten im Wald residiert der von Alkohol und Testosteron angetriebene Johnny „Rooster“ Byron. Er fühlt sich bevormundet von staatlichen Autoritäten und wettert im Namen der Freiheit gegen Gott und die Welt. Dabei versammelt er die lokale Jugend um sich, verteilt Alkohol und Drogen.

André Bücker Intendant Staatstheater Augsburg:

„Es ist ein Stück, das unglaublich viel über Menschen erzählt…es ist alles dabei.“

Chef-Dramaturg Lutz Kessler hatte Bücker bereits 2017 das Stück mit den Worten : „Lies‘ das, und du wirst es spielen wollen!“ empfohlen. Und nun wird seit Mai im Augsburger Textilviertel in der Ausweichspielstätte Martinipark geprobt.

Das Ensemble verwirklicht hier ein von Dialogen gekennzeichnetes Schauspieler-Stück um die Figur dieses Johnny »Rooster« Byron. André Bücker will mit dieser Tragikomödie um Ausgrenzung der sozialen Kälte in einer von allen Geistern verlassenen Welt etwas entgegensetzen.

Kritik

Akt 1: Mit einer ziemlichen Wucht und Kraft daher kommend ist dieser überaus amüsant. Trotz derber Sprache ( die aber wohl eher das Publikum jenseits der 60 irritieren dürfte, wir anderen sind die Wortwahl und Begriffe wie „fi…en“ mittlerweile ja irgendwie gewohnt) und obgleich hier Drogen- und Alkoholkonsum als das Non plus ultra des Zeitvertreibs – durch die Story wohlgemerkt! – auf der Bühne gefeiert werden. Schon hier zeigt sich die Ensembleleistung, allen voran von Sebastian Müller-Stahl in der Hauptrolle des Johnny „Rooster“ Byron: mit genialer Mimik und Gestik verkörpert er diesen von Drogen und Alkohol gezeichneten Typen.

Akt 2: Der Rattenfänger Byron ist durchaus selbst das Opfer. Die Tragik seiner kaputten Existenz zieht sich langsam aber sicher durch die Wahrnehmung  des Betrachters. Und sollte seine Auflehnung gegen das Establishment mitunter Zustimmung hervorrufen, Mitleid überwiegt. Wird nicht stattdessen er, der Dealer und Messias des Verderbens von seinen von ihm liebevoll als Ratten bezeichneten „Jüngern“ verspottet und ausgesaugt!? Diese Tragik berührt.

Akt 3:  Der Akt des Abschieds, laut Bücker. Und das ist er! Abschied von der Mär wahrer Freundschaft, zumal wenn gemeinsamer Drogenrausch der Hauptinhalt dessen ist. Abschied auch vom Glauben gegen das Establishment etwas ausrichten zu können? Die Hoffnungslosigkeit und das Gefühl ausgeliefert zu sein, wird im Einsatz von Flugzeuggeräuschen, die angedeutet das permanente Überfliegen von Roosters Wood symbolisieren, körperlich spürbar.

„Who knows where the time goes“ – wer weiß das schon. Doch eines wird an diesem Premierenabend klar: Wir haben derzeit zwar nicht das allerorten wieder gewünschte Theatergebäude, aber wir haben ein Theater, und was für eines !!!