Interview mit Peter Schneider, der den Kommissar Michael Lehmann in der Jubiläumsfolge von Polizeiruf 110 verkörpert.
Die ersten Minuten war ich erstaunt, eine besondere Lichtstimmung und auch der Beginn dieser Folge vermittelten mir einen ganz anderen Ansatz einer Polizeiruf 110 Folge, in der für mich tatsächliche Polizeiarbeit, mitunter unspektakulär, eintönig, mit immer wiederkehrenden Zeugen- Vernehmungen dargestellt wird. Wie erging es Ihnen beim Lesen des Drehbuches? Es spielt sich das Meiste ja auch im Büro der beiden Kommissare ab.
Peter Schneider: Für mich ist es zunächst eine Traum-Konstellation mit Clemens Meyer und Thomas Stuber als Autoren, und dem wunderbaren Peter Kurth als Partner. Wir kennen uns alle, haben alle schon miteinander gearbeitet. Clemens Meyer ist durch seinen Roman „Als wir träumten“, sozusagen das Gedächtnis meiner Generation, und insofern hat mich das erste Lesen des Buches total begeistert. Auch weil ich gespürt habe, dass die beiden Autoren eine Welt erschaffen, in Halle, die sehr berührend ist und Geschichten über Menschen erzählt, die sonst sehr unterbelichtet und einseitig bleiben, wenn Geschichten über sie erzählt werden. Toll finde ich auch, dass man einmal back to the Roots geht. Und über diesen Polizeialltag erzählt, so frustrierend er auch ist: dass man Hunderte von Leuten verhört, Funkzellen auswertet und nicht voran kommt. Das hat mich sehr überzeugt.
Was mir auffiel nach einigen Minuten, ohne zu spoilern, man wird ja zunächst auf eine falsche Fährte geführt. Man vermutet, der erste Zeuge habe mehr mit dem Verbrechen zu tun. Doch mitnichten, der vermeintlich klassische Ablauf mündet stattdessen in eine für mich fesselnde Darstellung von immer wieder ins Leere führenden Vernehmungen gepaart mit den Perspektivenwechseln zum Tatabend.
Können Sie sich eine Fortsetzung dieses Ermittler-Duos und ihrer Darstellung vorstellen?
Peter Schneider: Es wird weitergehen. Es ist toll, dass wir als neues Team zur Jubiläumsfolge an den Start gehen und dieses Team nun auch fortführen werden.
Zurück zu Ihrer Rolle, es wirkt als ob Sie mehr den Streber verkörpern, den, der verzweifelt, da er immer wieder glaubt, den Täter und ein Motiv gefunden zu haben. Ihr Kollege ist vielmehr der Laissez-faire-Typ.
Peter Schneider: Ja, sie sind beide sehr unterschiedlich. Für meine Rolle des Michael ist Henry eine Art Mentor. An der Konstellation überzeugt mich allerdings, dass sie beide sehr achtsam miteinander umgehen und aufeinander aufpassen. Bei Koitzsch hat die längere Sozialstation in der DDR und, dass er dort als Polizist gearbeitet hat, eine andere Auswirkung auf seine Agitation als bei meiner Figur. Beide kommen aus der ehemaligen DDR, aber Lehmann wechselte über ein Quereinsteiger-Programm zur Polizei, war Krankenpfleger, und sieht es eben nicht so vermeintlich locker wie der alte Hase Koitzsch, der viel, die beiden politischen Systeme und auch privat erlebt hat. Meine Figur, ist wie ich auch eine, die eben 14,15 war, als die Wende kam. Mir gefällt diese Figuren-Konstellation.
Wie wichtig ist es – trotz lang vollzogener Einigung – die unterschiedlichen Typen in den diversen Gegenden Deutschlands darzustellen?
Peter Schneider: Ja, das finde ich wichtig und total schön bei unserem Polizeiruf, dass die Stadt Halle hier eine große Rolle spielt, auch bezogen auf die Menschen, die dort leben. Ehrlicherweise muss man sagen, die ganzen Figuren werden vielfach von KollegInnen gespielt, die im Osten sozialisiert sind und daher ein Verständnis für die Region mitbringen. Es ist gut, dass der Polizeiruf so verortet ist, wo er spielt. Manchmal sieht man einen Film und hat den Eindruck, es ist egal, wo er spielt, denn man spürt die Besonderheit der Region nicht. Hier sieht man, dass er in Halle spielt, in einer gebeutelten Region, diese Mitteldeutsche Region, in der viele Menschen nach der Wende arbeitslos wurden. Wo Biografien gebrochen sind, man sich an eine Staats- und Wirtschaftsform gewöhnen musste, die lange als falsch vermittelt wurde. Das merkt man den Menschen an. Im Ruhrpott spürt man auch, dass dort Industrie kaputt gegangen ist. Das ist ein anderer Menschenschlag als in München etwa. Ich spüre im Drehbuch diese Liebe zu diesen Figuren und ihren Geschichten.
Die Menschen werden nicht vorgeführt, aber man merkt die biografischen Brüche in den Figuren, die als Zeugen fungieren. Wobei man von der Stadt wenig sieht, aber eben über sie den Geist der Stadt, der Region vermittelt bekommt.
Peter Schneider: Ich finde man sieht schon einiges von Halle, das Polizeirevier zum Beispiel, in dem wir drehten, ist tatsächlich das alte Originalrevier in Halle.