Hallo Frau Woll, wir sprechen ja heute über zwei Formate, in denen wir sie demnächst unmittelbar hintereinander erleben können: „Neuer Wind im Alten Land“ (ab 21.4.) und „Blindspot“ (22.4.). In letzterem sind Sie ein wichtiger Nebenpart. Beginnen möchte ich aber mit ihrer Hauptrolle der Journalistin in „Neuer Wind im Alten Land“, die für die größten Medienhäuser der Welt gearbeitet hat. Nachdem ihr falsche Quellen für einen Skandal-Artikel zum Verhängnis wurden, ist ihr Name in der Branche kaputt. Sie findet bei dem Lokalblatt ihres Heimatortes Unterschlupf. Was hat sie persönlich an der Rolle fasziniert?
Felicitas Woll: Jemandem über diese Rolle nahe kommen zu können, dem es komplett den Boden unter den Füßen wegzieht, das hat mich interessiert. Sie geht ihren Weg, ist sehr erfolgreich, alles läuft, aber sie bekommt nicht mit, dass das Schicksal vorsieht, dass noch einmal eine Veränderung passieren sollte und sie noch mal durchgerüttelt werden muss. Nun, dies will man ja auch nicht unbedingt und man geht lieber den entspannten Weg. Aber ich fand es bei ihr so schön, dass sie das geschafft hat, was sie sich vorgenommen hat: als Kleine vom Dorf, nach dem Volontariat in der Dorf- Redaktion bis zur New York Times zu kommen. Dann aber durch eigenes Verschulden nochmal von vorne anfangen, sich selbst verzeihen, annehmen und sagen muss, okay, ich muss die Situation jetzt akzeptieren, wie sie ist, ich muss wieder bei meinen Eltern einziehen, ich fange wieder von vorne an. Ich bin die, die zwar aus New York kommt. Ich könnte mir jetzt etwas darauf einbilden, aber ich versuche mal, mich hier einzufügen. Ja, es macht mir natürlich vielleicht nicht so ganz viel Spaß über Kühe oder über Unfälle zu schreiben, die keine sind. Aber so rüttelt ein das Leben dann auch wieder durch, und man kommt vielleicht an Punkte, die man vorher so gar nicht mehr gesehen hat. Das Leben geht noch mal einen neuen Weg. Das fand ich spannend. Sie geht zudem sehr positiv damit um, das hat mich zusätzlich motiviert.
Ein Stück weit versöhnt sie sich mit der Situation. Die beiden Folgen laufen in der ZDF Herzkino-Reihe am Sonntagabend, behandeln Themen, die aktuell sind. In Folge 1 die Umweltgeschichte und die Problematik, dass alles zugunsten einer Straße zugebaut werden soll und dann glücklicherweise die geschützten Fledermäuse ins Spiel kommen. Sowie in Folge 2 das Thema Scheitern bzw. der Erwartungsdruck der jungen Frau, die glaubt, sie muss ihre Klavierausbildung erfolgreich absolvieren, dann jedoch vollkommen durchdreht. Wie sehen Sie diese inhaltliche Bearbeitung gesellschaftlicher Themen?
Felicitas Woll: Ich habe schon das Gefühl, dass es um tiefere Punkte geht, die wir aufarbeiten. Auch um uns persönlich, um Familiäres. Es brechen Dinge auf, an denen man selbst jahrelang nicht gearbeitet hat. Die Folgen zeigen, dass wir wieder anfangen sollten, uns um uns zu kümmern,dem anderen wieder zuhören. Dass wir uns wieder um Dinge kümmern, die vielleicht ein bisschen magisch, nicht von dieser Erde sind, die vielleicht auch ein bisschen übernatürlich wirken. Und wir ein wenig wegkommen von diesen ganzen Social Media, TikTok, Instagram, Facebook- Welten, in denen wir die letzten Jahre waren. Wo es nur um Oberflächlichkeiten geht. Ich glaube, dass es nicht nur mir so geht, sondern nun eine Zeit ist, wo wir wieder Lust und auch Interesse daran bekommen, andere Geschichten zu lesenund darauf wirklich wieder mal genau hinzuschauen. Und das war auch das, was mir bei meiner Figur so gefallen hat, dass sie sich wirklich für den Menschen interessiert und dass da plötzlich etwas dabei herauskommt. Ich liebe es über Menschen zu lesen, die wirklich was zu erzählen haben. Ich bin niemand, der gerne an der Oberfläche herum dümpelt, den ganzen Tag konsumiert. Ich mag das schon, wenn es in die Tiefe geht, auch beim Arbeiten. Bei diesem Format dachte ich: Okay, es ist Herzkino, aber die Figur erzählt wirklich etwas sehr, sehr Menschliches. Ich glaube, da kann sowohl Mann als auch Frau, jeder sich damit identifizieren und sich abgeholt fühlen. Ich bin ganz glücklich, dass ich in der Serie mit der Figur der Beke dabei bin. Ich hoffe, dass es natürlich weitergeht, die Quoten gut sind, so dass die Geschichte weitererzählt werden kann. Ich finde nämlich, es gibt auch nichts Schöneres, als eine Figur zu haben, mit der man sich auch ein bisschen entwickeln kann.
Die Folgen spielen im Wendland, eine ganz eigene Gegend. Kannten sie das Wendland vorher schon, oder waren sie nur bei den Dreharbeiten jetzt dort?
Felicitas Woll: Wir waren sehr viel in Buxtehude, sehr klein, sehr schön. Also ich mochte das total gerne. Ich bin vorher auch schon ab und zu da gewesen, auf Apfelplantagen und habe Äpfel gepflückt. Ich bin total gerne in dieser Ecke unterwegs gewesen, aber nicht so oft. Jetzt durch die Dreharbeiten tatsächlich mehr, und habe das Ganze kennengelernt. Wir waren auch sehr lange auf einem speziellen Hof. Die Menschen dort waren unglaublich lieb, haben uns ihre Türen geöffnet. Wir haben gesehen, was das bedeutet, auch noch einen Familienbetrieb zu haben und als Familie zusammenzuarbeiten. Also ich habe die Menschen dort sehr, sehr offen und freundlich kennengelernt. Zudem hast du immer diesen Wind vom Meer. Ich habe das sehr geliebt, da zu sein.
Dieses „alte Land“ im Titel klingt schon auch sehr romantisch irgendwie. Aber da ist dieser Aspekt in der Serie, dass sie ankommen und gleich Stress mit ihrer eigenen Schwester haben. Und dann gibt es auch noch parallel diese sich anbahnende Romanze mit dem früheren Freund, der aber dummerweise der Exmann der besten Freundin ist. Jedoch wird dies sehr leise erzählt, nicht mit dem Holzhammer: Beke kommt und sofort ist die Liebesgeschichte am Start und die Freundin ist egal. Da „menschelt“ es, und die Serie gibt Impulse, wie man miteinander umgehen kann.
Felicitas Woll: Ich glaube, dass das eine Erziehungssache ist. Also ich habe schon das Gefühl, dass im Moment, was ich vorhin meinte, ein paar Sachen aufbrechen. Es gibt ja bestimmte Erziehungsmuster, man bekommt viele Dinge schon von den Urgroßeltern mit. Das wird weitergegeben. Es ist einfach schön und wichtig, dies vielleicht auch zu zeigen, dass man sich auch gerade innerhalb der Familie respektiert, sich traut seine Meinung zu sagen, und dennoch nicht das Gefühl hat, man wird jetzt innerhalb der Familie abgelehnt. Wenn es nicht innerhalb der Familie funktioniert, kann es auch auf der Welt nicht funktionieren. Hier fängt die erste Struktur des Miteinanders an. Auch wir erzählen, wie man einen Weg findet, die Kurve kriegt, um miteinander gut klarzukommen und sich sagen zu können, wir haben vielleicht unterschiedliche Meinungen, aber wir haben uns doch lieb. Ich möchte nicht ohne dich sein, du bist meine Schwester oder du bist meine Mutter: Komm her und lass uns uns einfach so respektieren, wie wir sind. Ich glaube, das haben wir ganz gut hingekriegt. Wir sind auch eine ganz neue Gruppe von Schauspielern, die man jetzt so in der Form nicht zusammen gesehen hat. pk Wir sind bunt gemischt und es sind viele tolle Schaupieler dabei und auch Theater-Schauspieler, die auch nochmal anders an die Figuren herangehen.
Kommen wir auf das zweite Format, auf Blindspot zu sprechen. Das ist ja eine Art Thriller, in dem es um das knallharte Geschäft, aber hauptsächlich um Narzissten geht. Wie wichtig ist es für sie als Schauspielerin so unterschiedliche Formate auch spielen zu können und zu dürfen? Manchmal landet man ja in einer Schublade, ob man will oder nicht.
Felicitas Woll: In meinem Beruf ist das tatsächlich mit das Wichtigste. Also, ich bin wirklich sehr, sehr dankbar und total glücklich darüber, dass ich mich sehr früh schon ausprobieren konnte. Es hätte natürlich auch passieren können, dass ich in dieser Lolle Ecke drin bleibe, als süßes, nettes Schmollmund-Mädchen, das halt gute Laune mitbringt. Aber ich habe ja natürlich auch eine andere, eine kalte, dunkle Seite. Ich bin ja auch ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Gedanken, Emotionen, mit meinen Erfahrungen, die ich auch im Laufe meines Lebens gemacht habe. Mit denen so unterschiedlich wie möglich spielen zu können, ist natürlich ein Riesenglück und ein Geschenk. Von daher bin ich total froh, dass ich das machen und auch zeigen kann, was in mir steckt. Und ich immer wieder aus einer bestimmten Schublade raus kann. Deswegen springe ich auch ganz gerne aus Projekten nach einer gewissen Zeit auch wieder ab, um nicht darin feststecken zu bleiben. Sondern um mich dann auch wieder neu erfinden zu können und zu gucken, wer ich bin und wohin ich gehe. Dazu braucht man aber auch das Glück, einen tollen Regisseur zu haben, der dann auch einfach sagt, ich will die haben, oder wie damals bei Dresden, das jemand aus einer Komödienecke genommen wird für diese Art von Film und dann etwas Charakterliches spielen darf. Dazu brauchst du eben den Regisseur oder jemanden, der an dich glaubt und dich dann auch mitnimmt. Da habe ich wirklich sehr viel Glück gehabt. Da bin ich total dankbar. Ich wünsche mir, dass es so weitergeht. Ich möchte einfach die nächsten Jahre noch zeigen, was in einem Menschen, in mir, drin sein kann. Ich möchte mich selber noch etwas mehr erfahren. Von daher bin ich total froh und freue mich, dass diese beiden Filme mit den unterschiedlichen Charakteren meiner Rollen jetzt so nah beieinander ausgestrahlt werden. Etwas besseres kann einem als Schauspieler gar nicht passieren.