Evita – kurzweiliger Musicalabend auf der Augsburger Freilichtbühne

Vorneweg, wer einen kurzweiligen Musicalabend auf der Augsburger Freilichtbühne erleben will, dem ist ein Besuch der Augsburger Inszenierung von Evita in der Deutschen Erstaufführung der neuen Symphonic Version empfohlen. Für Fans der Andrew Lloyd Webber Musicals ist es allemal ein Pflichttermin, diese beiden Akte mit einer Pause zu erleben.

Die drei Hauptakteure Alexander Franzen (Juan Perón, li. im Bild) und Hannes Staffel (Che, re.) um die Titelfigur Eva Perón, gespielt, gesungen und gelebt von Katja Berg (2. v. li.) sind Garant für eine perfekte Besetzung. Ohne die Leistung von Ensemble, Ballett, Opernchor und Kinderchor Young Stage e.V. zu schmälern. Und nicht zu vergessen: die Augsburger Philharmoniker (Besonderheiten dieser musikalischen Umsetzung, siehe unten) unter der musikalischen Leitung von Sebastiaan van Yperen liefern wie auch aus dem Opernchor, Gerhard Werlitz, der den Tangotänzer Agustin Magaldi in einer Solorolle gibt. Dieser nahm die 15-jährige Evita mit nach Buenos Aires, ihr erstes „Opfer“ auf ihrem Karriere-Zug.

Doch kommen wir zu meiner persönlichen „Kritik“, besser Betrachtung der Augsburger Evita: Es beginnt – für Kenner – mit der Beisetzung der argentinischen Ikone, die wohl, so makaber das klingen mag, gerade im richtigen Moment starb, um ihren Mythos, ihren Legendenstatus zu bewahren. Wer wie ich im Grunde nur den von Webber und Tim Rice komponierten Hit „Don`t cry for me Argentina“ aus den 1980ern und die Verfilmung mit Madonna und Antonio Banderas kennt, bekommt eine kompakte Kurzversion dieser Lebensgeschichte geliefert. Die keine Minute langweilig wird, obwohl man das Ende kennt. Mag die im Publikum gehörte Anmerkung, dass diese Geschichte aber eben sehr antiquiert, will heißen im 80er Jahre Style inszeniert daher komme, zu respektieren sein. Finde ich: nun das ist nun einmal ein Webber Musical aus den 1980ern und der Verlauf des Lebens dieser Frau, die sich die Männer zu Gehilfen auf dem Weg nach oben bis an die Seite von Perón machte, bedingt und rechtfertigt diese „konservative“ Herangehensweise, ist es nun einmal letztendlich auch eine Biografie einer Frau, geboren 1919 und gestorben 1952. Wobei die Figur „La Vida“, Evitas jüngeres Ich, die Unschuld, das kostbare, unverdorbene Leben (die Interpretation dieser „Statisten“-Rolle bleibt dem Betrachter überlassen) im Jeans-Overall präsentiert, dadurch eine Zeitlosigkeit der Geschichte um Machtstrukturen, Politik und ihrer Akteure interpretativ ermöglicht.

Was mich zu den Kostümen und meiner Sicht darauf bringt: Nora Johanna Gromer lässt zwar zu Beginn in der typisch mexikanisch „Dia de los Muertos“-Bekleidung das argentinische Volk trauern. Doch scheint mir gerade diese Wahl stimmig, um die uns Europäern „oft übertrieben anmutende“ Toten-Ehrung zu symbolisieren und ist der richtige Einstieg in Evitas Geschichte und noch heute andauernde Verehrung im Heimatland. Die oberen Zehntausend, die Welt, in der sie sich´als Präsidentengattin bewegt in rein schwarz-weißen Kostümen aufzuzeigen, untermauert den Zustand der Gesellschaft dieser Zeit an diesem Ort: es gibt nur schwarz oder weiß! In den weiteren Szenen, denke ich, bleibt sie den anderen Fassungen treu und wählt das unschuldig, weiße Abendkleid beim eingängigen „Don´t cry…“. Untermauert es optisch, den Wunsch von Evita einfach, lieber als die Heilige denn als die Hure betrachtet zu werden.

In Summe für mich ein Musicalabend, der zu empfehlen ist. Mir fehlt zwar die Dichte südamerikanischer Klänge – die die Musik Webbers zwar andeutet – die mitreißt. Doch dies mag womöglich in ihrer fehlenden Wirkung der deutschen Fassung geschuldet sein und der Geschichte per se. Evitas Leben ist nun einmal tragisch, da viel zu kurz sowie komplex in der Sicht auf die Person an sich. Sie polarisiert, einerseits „Santa Evita“, andererseits Teil eines diktatorischen Regimes, da hilft aus der Außenbetrachtung der Versuch der Abbitte durch soziales Engagement kritisch betrachtet wenig. Fazit: das Musical unterhält bestens und gibt durch Darstellung Raum zur Auseinandersetzung mit einer Person der Weltgeschichte und ihrer Schwarz-Weiß anmutenden Färbung.

Zur Symphonic Version

Was genau ist neu an der Fassung, die wir in Augsburg sehen und hören werden?
Was macht musikalisch das Musical aus, wo liegen hier die Herausforderungen an das Orchester?
  

„Neu an der Fassung, die am Staatstheater Augsburg zur Deutschen Erstaufführung kommt, ist, dass sie mit einem großen Orchester gespielt wird, das fast so groß ist wie bei „Turandot“.
Häufig wird „Evita“ mit Keyboards und einer Band gespielt, aber dank der Augsburger Philharmoniker haben wir das Glück, dass wir das Musical mit einem Hollywood ähnlichen Klang spielen werden – was den musikalischen Ausdruck natürlich viel stärker zur Geltung bringt. Typisch für dieses Musical ist die Mischung der musikalischen Sprachen.
Der Anfang klingt fast wie eine Oper, doch schon im nächsten Stück verwandelt sich das Werk in eine Art Pop-/Rocknummer. Genau das macht es für mich spannend, da ich mich dadurch in vielen verschiedenen musikalischen Stilen bewegen kann.
Neu für das Orchester ist vor allem, dass in vielen Nummern ein Drumset mitspielt. Das verändert die Art des Musizierens grundlegend, weil der Fokus des Gehörs eine ganz andere Richtung benötigt. Auch stilistisch ist das für die Philharmoniker ungewöhnlich – plötzlich sollen sie wie eine Bigband klingen, und nicht wie bei einer Brahms-Sinfonie.
Aber genau das macht dem Orchester viel Spaß, denn man muss sich quasi eine neue Haut überziehen. Und nach den ersten Proben klingen die Augsburger Philharmoniker bereits großartig. 
In Kombination mit der Freilichtbühne am Roten Tor bei Sonnenuntergang wird das zu einem herrlichen Erlebnis. Wir haben ein wunderschönes Bühnenbild und eine hervorragende Sänger-Besetzung. Sie können sich auf ein echtes Spektakel freuen.“