Auf dem Platz zählt die Mannschaft.

Aber die Familie ist für Phillip Tietz das Wichtigste!

Hast du irgendwelche Rituale oder Glücksbringer? Deine Rückennummern haben in den jeweiligen Stationen gewechselt. Aktuell beim FCA ist es die 21, in Braunschweig war es die 34und in Darmstadt die 9. Hat es eine Bewandtnis damit, oder hättest du  hier in Augsburg  auch ganz gern die 9 gehabt, die aber schon vergeben war (Demirovic)? 

Die 21 ist insofern etwas ganz Besonderes, weil meine Tochter am 21.11.2021 geboren wurde. Und deswegen ist das die Rückennummer, die mir mittlerweile sehr heilig ist. Nichtsdestotrotz bin ich Stürmer und die Nummer 9 ist schon immer der Wunsch. Aber ich bin nicht so darauf fixiert, dass ich eine bestimmte Nummer haben muss. Also, bei mir ist es eigentlich irrelevant. Als ich gesehen habe, dass die 21 noch frei isthabe ich zugeschlagen. 34 ist meine Glückszahl, das war damals meine erste Profi Nummer in Braunschweig, die  habe ich auch tätowiert. Sie begleitet mich mein ganzes Leben. 

Aber deine speziellen Schienbeinschoner mit den Namen deiner Freundin Michelle und deiner Tochter Mavie-Lou die müssen sein, oder?

Ja, die schon. Ich habe schon ein paar Rituale. Ich spiele immer mit einem Foto von meiner Tochter in den Socken und den Schonern mit ihren Namen, weil beide mich tagtäglich unterstützen, auch auf dem Platz, immer an mich denken und mir Kraft geben. Und deswegen habe ich schon einen kleinen Tick, wenn ich sage, die müssen immer dabei sein.

In einer Homestory bei den TV-Kollegen von Sky fiel mir auf, dass ihr euch sehr offen gezeigt habt, in eurem häuslichen Umfeld, das hat mich ziemlich beeindruckt. 

Ich bin ein Typ, der ehrlich ist, also ich mache da keinen Humbug oder Sonstiges. Ich versuche wirklich, so nah wie möglich zu sein für die Fans, da es viele gibt, die gerne wissen wollen, wie ein Spieler vom FCA lebt oder wie er sich verhält, wie er drauf ist. Da wollte ich so ehrlich wie möglich sein

Du kamst im Sommer 23 zum FCA, warst immer auf dem Platz, aber nicht in der Startelf. Das war dann gegen Bochum im Hinspiel, beim 2:2, da hat man dir zu diesem Bundesliga-Debüt gratuliert. Deine Antwort war damals: Ja, das ist schon toll, davon habe ich immer geträumt. Aber das ist jetzt nicht so wichtig, da wir drei Punkte mitnehmen hätten können, und es uns nicht gelang. Du bist sehr Team orientiert?

So ein persönlicher Erfolg ist immer schön, aber der ist bei mir zweitrangig. Ich habe nur ein schönes Wochenende, wenn wir als Mannschaft erfolgreich sindNatürlich gibt es so Spiele, wie dieses Bochum Spiel, wenn du den Spielverlauf siehst und weißt, du kannst gewinnen. Das Spiel ist eigentlich eher  auf die Seite von Augsburg gekippt, und du spielst trotzdem nur Unentschieden, dann hast du schlechte Laune, und mir ist das ziemlich egal, ob ich einen Startelf-Einsatz hatte. Es geht mir dann darum, dass wir Punkte sammeln. Da steht das Team im Vordergrund bei mir. Ich als Einzelner kann nicht so viele Berge versetzen, so dass ich hier alles drehen könnte, und deswegen bin ich angewiesen auf meine Spielkameraden und will auch den maximalen Erfolg mit ihnen zusammen haben. 

Ich komme trotzdem auf einen Moment zurück, in dem du sehr wohl was gedreht hast, ich saß in Heidenheim und ihr lagt 0 zu 2 zurück. Und dann schießt du dein erstes Bundesliga-Tor, das hat alles gedreht zum Endstand 5:2 für euch. Es war auch das erste Spiel  von Trainer Jess Thorup.

Er hat mich und allgemein jeden einzelnen Spieler so eingeschworen und so angeheizt, dass wir dieses Spiel gewinnen werden. Dann steht es auf einmal 0:2. Dennoch hast du aber trotzdem dieses Selbstvertrauen und du weißt, du kannst das Spiel drehen. Vielleicht war das der Hallo-Wach-Effekt, als ich das Tor gemacht habe.

Was hat sich seither für dich persönlich verändert. Ich will gar keinen Vergleich zu anderen Trainern, darum geht es nicht. Wir haben Jess als Trainer hier, und es ist dieses Heidenheim Spiel. Es ist dein erstes Tor. Seitdem bist du immer in der Startelf. 

Ja, für mich persönlich war es natürlich wichtig. Ich bin Jess sehr dankbar, dass er so an mich glaubt und mich in vielen Dingen unterstützt, dass er viel mit mir redet. Aber ich glaube, das ist genau der Punkt. Er kommuniziert sehr viel mit den Spielern. Ich bin ja nicht der einzige, der so aufblüht. Da gibt es viele Beispiele. Bei mir persönlich muss ich sagen, er war selber Stürmer, mit seiner Größe auch ein Typ wie ich. Deswegen weiß er wohl ganz genau, wo er bei mir ansetzen muss, wie er mit mir zu sprechen hat. Das taugt mir sehr, und das will ich ihm auf dem Platz wiedergeben. Ich merke, was ich für ein Vertrauen vom Trainer kriege, und das Vertrauen will ich nicht verlieren und will jedes Spiel, ob es mit einem Tor belohnt wird oder nicht, aber jedes Spiel, 100 Prozent geben. Und dieses Gefühl habe ich seit Tag eins, seit er hier ist.

Ihr, Demi und du, spielt jetzt diese  Doppelspitze, mit Ruben in der Raute, das hat sich jetzt auch in den letzten Spielen verändert? 

Die beiden machen es mir einfacher da vorne, sie sind schon erfahrener als ich in der Bundesliga. Wir harmonieren mittlerweile echt gut. Das liegt aber auch daran, dass man sich auch neben dem Platz extrem gut versteht, und jeder von uns weiß, wie der andere sich verhält. 

Ist dein Leben, wenn du z.B. in Augsburg unterwegs bist, anders als in Darmstadt? 

Es ist ein  Unterschied zu Darmstadt. Du wirst hier auch das eine oder andere mal  angesprochen, wobei man das jetzt nicht vergleichen kann. Als wir in Darmstadt aufgestiegen sind, da waren wir in der Stadt schon die Helden und die Legenden, und da wurdest du wirklich überall angesprochen, was aber auch nicht schlimm ist. Ich finde, das gehört zum Fußballprofi sein dazu. Ich bin auch komplett offen, bei mir muss man auch keine Angst haben, mich um ein Foto zu fragen, ich gehe da auch schon mal mit einigen intensiv ins Gespräch. Manchmal muss mich meine Freundin allerdings zurückholen und mich erinnern, dass wir weiter müssen. Ich bin also ganz normal, mich kann jeder anhauen, und ich kann mit jedem sprechen, über jegliche Dinge. 

Du hast schon öfters nach dem Spiel erwähnt: Ich geh jetzt erst einmal nach Hause und spiele mit meiner Tochter. Das schimmert immer wieder durch in deinen Aussagen, dass sie ein sehr wichtiger Mensch in deinem Leben ist. Ebenso wie deine Freundin, mit der du aber schon das Spiel  nach besprichst, sie hat selbst Fußball gespielt. Wie gehst Du mit Kritik, auch im Netz, auf den Social Medias im Nachgang um, da wird ja sehr viel gepostet? Wie viel nimmst du von der Arbeit mit nach Hause?

Ich finde es schon okay, da man sieht, dass die Fans sich wirklich mit dem Verein auseinandersetzen und dass sie den Verein über alles lieben. Ich bin jetzt aber einer, der liest sich das gar nicht durch. Klar kriegst du es trotzdem mal mit. Da kommt man leider nicht darum herum, sowohl um die negativen als auch positiven Aussagen über deine Person. Das kann teilweise schon schmerzhaft sein. Aber genau deswegen versuche ich, es zu vermeiden. Da können 1000 geile Kommentare stehen, aber dann ist einer gegen dich, und du bist schon ein bisschen genervt davon. Da kann mir jeder sagen, was er will. Aber wenn gegen einen selbst negativ gesprochen wird, ist es kein schönes Gefühl, und deswegen lass ich das komplett sein und versuche mich nach dem Spiel vor allen Dingen auf meine Familie zu konzentrieren. Sie sind viel wichtiger als der Sport, die zwei Menschen in meinem Leben, für die ich alles machen würde. Ich habe immer nach einem Sinn des Lebens gesucht und gefragt, was er eigentlich ist. Seit meine Tochter auf der Welt ist, habe ich gemerkt, dass meine Tochter der Sinn des Lebens für mich persönlich und für meine Frau ist. Und daher, wenn ich daheim bin, rede ich zwar schon mit meiner Frau über das Spiel. Aber erst mal geht die Bespaßung meiner Kleinen los. Das Schöne ist, meine Tochter oder jedes andere Kind in dem Alter checkt noch gar nicht, was der Papa gerade auf dem Platz gemacht hat, ob das jetzt gut oder schlecht war. Du kommst heim, und sie empfängt dich als Papa und nicht als einen Fußballer, der vielleicht ein schlechtes oder ein gutes Spiel gemacht hat. Das heißt, sie geht ganz neutral an die Sache heran. Das ist immer so ein schönes Gefühl, zu wissen, dass deine Tochter mit einem breiten Grinsen auf dich zuläuft und direkt mit dir ins Kinderzimmer gehen und spielen möchte. Da kommst du gar nicht auf andere Gedanken. Daher liebe ich auch meine Freundin so, sie ist unglaublich toll, weil sie ganz genau weiß, wie sie bei mir anzuknüpfen hat nach einem Spiel. Es braucht Fingerspitzengefühl, um zu wissen, wann ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Vor allen Dingen nach einer Niederlage oder nach einem schlechten Spiel, weil ich sehr selbstkritisch bin, und auch ein bisschen brauche, bis ich über das Spiel reden kann. Meine Freundin weiß ganz genau, wann sie mit mir darüber reden kann.

Gibt es ein Vorbild in deinem Leben?

Mein ganz großes Vorbild ist mein Papa, weil er einfach ein super Mensch ist. Ich bin wie  mein Vater. Eigentlich sind meine Eltern meine Vorbilder, weil sie echt viel Zeit investiert haben, dass ich zum Training von Eintracht Braunschweig konnte. Ich war kein einfacher Junge. Ich hatte sehr viele Hummeln im Hinternaber meine Eltern haben mich immerunterstützt. Mein Vater wollte selbst immer Profi werden und hat einmal, als ich meinen Profivertrag unterschrieb, gesagt: Mein Sohn lebt mein Traum weiter. Das geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.  Auch wie sie das ganze mit unserer Familie managen. Ich bin ja weit weg. aber sie kriegen es hin, arbeiten sehr hart und sehr viel. Und wie sie so durchs Leben gehen, mit was für einer Freude, vor allen Dingen auch, wenn mal Tage dazukommen, die echt nicht schön sind, merke ich oder sehe ich, dass ich genauso werden will wie sie. Weil sie wirklich den Spaß am Leben nicht verlieren und wirklich immer glücklich sind und für jeden Menschen ein offenes Ohr haben. 

Hattest du eigentlich einen Plan B fürs Berufsleben? 

Bevor ich Profi geworden bin, habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kindergarten gemacht. Ich wollte vorbereitet sein, ob ich Profi werde oder nichtLetztlich bin ich in dem Jahr Profi geworden. Mein Vater ist Polizist, das hätte ich mir auch gut vorstellen können sowie Lehramt. Wahrscheinlich wäre es auf Erzieher hinausgelaufen, weil ich es extrem liebe, mit Kindern zu spielen, zu arbeiten und die Entwicklung der Kinder zu sehen.