Bevor wir zu Deinen Eindrücken vom Trainingslager kommen, beim gemeinsamen Gespräch am Medienabend hast Du Dich an fast alle Spieler erinnert, die in den vergangenen Jahren jemals verpflichtet wurden, wo sie herkamen und auch wohin sie nach ihrer Zeit beim FCA gegangen sind. Ist das Dein Hobby?
Michael Ströll: Ich beschäftige mich von Kindesbeinen an mit Fußball und habe ein gutes Gedächtnis. Da bleiben einem die meisten Namen schon in Erinnerung, vor allem, wenn man seit fast 20 Jahren im Verein ist.
Aber Du hast nicht mit allen Kontakt?
Nein, das geht auch gar nicht. Aber mit einigen Ehemaligen schon. Mit Sven Neuhaus, zum Beispiel, der zu meinen Anfangszeiten beim FCA war. Mit vielen ist man auch immer wieder mal im Austausch.
Wie kommt es dann aber zu Verpflichtungen ehemaliger Spieler für andere Bereiche, wie jetzt zum Beispiel von Jan Moravek?
Es gibt immer mal wieder Spieler, die sich melden und um Rat fragen. Oder es gibt welche, die noch im Stadtgebiet leben und Kontakt halten, wie Jan. Da bleibt man automatisch im Austausch.
Kommen wir zum Trainingslager. Jeder Trainer ist anders, hat eigene Vorgehensweisen. Geht der Klub auf dieser Position mit Sandro Wagner den nächsten Step? Man merkt die Fokussierung, die Konzentration und den Wunsch nach viel Ruhe bei der Trainingsarbeit. Nicht unbedingt zur Freude mancher, die sich gern mehr öffentliche Trainingseinheiten gewünscht hätten?
Ein Trainingslager ist dafür da, dass man sich besser kennenlernt, ein Gefühl füreinander bekommt. Das merke ich ganz stark. Und alle sind sehr fokussiert. Wir haben nach dem Spiel gegen Crystal Palace noch zwei Wochen Vorbereitung, in denen noch zwei Spiele gegen Pisa und Sunderland anstehen, bevor wir in Halle mit dem Pokalspiel in die Saison starten. Ich kann das aus Fansicht verstehen, dass man sich mehr öffentliche Einheiten wünscht. Wir befinden uns aber in der letzten und heißen Phase der Vorbereitung, in der es um taktische Inhalte geht und der Fokus von jedem einzelnen und vor allem von einem Cheftrainer noch einmal ein ganz anderer ist.
Wobei doch auch bei all den anderen Trainingslagern zuvor die Intention die gleiche war. Was ist jetzt anders?
Wir arbeiten viel an Inhalten. Das, was wir derzeit auf demPlatz machen, ist sehr von taktischen Formationen, Prinzipien und Abläufen geprägt. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Und deswegen ist es da schon noch einmal wichtiger, dass man sich eben nicht in die Karten schauen lässt. Und man diese Dinge einstudiert und nicht Gefahr läuft, dass Themen nach außen dringen. Gestern stand zum Beispiel Standardtraining auf dem Programm. Das ist ein ganz elementarer Teil des Fußballs mittlerweile. Knapp ein Viertel aller Tore fallen nach Standardsituationen. Das hat einfach eine hohe Bedeutung. Und Sandro möchte es so ideal wie möglich einstudieren und nichts dem Zufall überlassen.
Jetzt kommt Sandro Wagner und installiert im Training diese von allen jetzt immer wieder zitierte Videoleinwand. Das ist aber keine Erfindung von gestern. Warum ist nicht früher jemand darauf gekommen bei Euch, diese einzusetzen?
Berechtigte Frage. Entscheidend ist immer, wie ein Trainer auf dem Platz arbeitet. Manche finden diese Art von Analysen nicht gut, arbeiten lieber anders, ohne Visualisierung. Ich persönlich bin ein großer Freund von Bildern und unmittelbarer Visualisierung. Vor allem, wenn du internationale Spieler hast, kannst du unmittelbar mit Bildmaterial arbeiten und verdeutlichen, worauf es ankommt. Nicht eine Stunde oder zwei Stunden später in einer Analyse, sondern direkt auf dem Feld. Als das Thema aufkam und Sandro mir erklärte, warum er so was wichtig findet, leuchtete mir schnell ein, welchen Mehrwert das hat.
Wie sieht es derzeit mit Neuverpflichtungen oder Verkäufen bzw. Leihen aus, Stichwort Koudossou und Nürnberg?
Es ist ja schön, wenn unsere Spieler bei anderen Vereinen Interesse hervorrufen. Das spricht für die Qualität der Jungs. Doch weder auf der Zu- noch auf der Abgangsseite ist etwas spruchreif. Wir haben bewusst schon frühzeitig mit Elias Saad, mit Chrislain Matsima und Cédric Zesiger einige Transfers getätigt. Wir haben auch Robin Fellhauer, Han-Noah Massengo und Oliver Sorg verpflichtet. Wir haben schon in Spieler investiert, aber wenn wir an der einen oder anderen Stelle Qualität dazu holen können, dann beschäftigen wir uns damit.
Du bist aber doch mit der Verpflichtung von Sandro Wagner „All in“ gegangen?
Das hat nichts mit „All in“ zu tun, sondern es war nach Abwägung aller Fakten unsere Überzeugung, dass wir in dieser Konstellation den nächsten Entwicklungsschritt für unseren Club gehen können. Sandro ist unglaublich tief in der Materie. Er hat eine enge Bindung zu den Jungs. Er hat ein sehr gutes Gespür, wann es gerade mal eine Streicheleinheit braucht oder eine klare, direkte Ansage. Du merkst, wie die Jungs alles aufsaugen. Wir sind davon überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden. Erfolg definiert sich jedoch bei uns nicht nur über Tabellenplatz und Punktestand, sondern eben auch an anderen Parametern. Wir sind als Fußballklub auch dafür da, den Menschen Freude zu bereiten. Und Freude bereitet man nicht nur über den Tabellenstand, sondern eben auch über die Art und Weise, wie man spielt, wie man Eigengewächse einbindet und Spieler entwickelt. Wenn wir diese Ziele erreichen, dann haben wir eine gute Saison gespielt.
Aber haben sich in den vergangenen Jahren Eure Ziele nicht immer wieder abgewechselt: von Liga halten, zu europäisch spielen, dann wieder sexy sein, Eigengewächse einbinden und wieder zurück zu unter die Top Ten kommen? Es hieß vor zwei Jahren: der neue alte FCA. Für mich ist das nun umgedreht zu: der alte neue FCA. Kannst Du mir sagen, was es nun ist?
Das Ziel, immer mal wieder in die Top Ten kommen zu wollen, hat sich nicht verändert. Das bleibt weiterhin bestehen. Nur es kann in der Bewertung trotzdem eine gute Saison sein, wenn wir die anderen Ziele erfüllen und erreichen. Wenn wir einen Mert Kömür, einen Noki Banks auf das nächste Level heben. Es gibt mehrere Ziele. Und idealerweise erreichen wir alle: unter den Top Ten zu landen, Spieler zu entwickeln, aktiven Fußball zu spielen und die Eigengewächse einzubinden. Uns geht es um eine Gesamtbetrachtung.